Prof. Ursula Stephan - Prof. Ulrich Hauptmanns - Dr. Jürgen Herrmann
Wissen / Informationen
Arbeit (-sschutz) und Menschen
Reason Modell - Latente Fehler und Sytemkatastrophen
Reason Modell eine kurze Einführung
In Folge des Loss Control (LC) Konzepts (siehe Bird und Germain /1/) wurden von James
Reason /2/ menschliche Fehler, die zu Unfällen führen können untersucht.
Reason hat ein Modell entwickelt, das Unfälle als eine Folge von Fehlern auf allen
Ebenen der Organisation beschreibt. Diese Fahler „bauen aufeinander auf“, sie bedingen
einander und stellen sogenannte Systemfehler auf der jeweiligen Organisationsebene
dar.
Korrespondieren diese Fehler miteinander, so hat das Gesamtsystem einen durchgängigen
Fehler und es kommt zu einem Unfall.
Oft wird der Schweizer Käse als ein Modell für die verschiedenen Sicherheitsebenen
in einer Organisation, wobei bei einem Unfall Fehlstellen (Löcher) auf allen Sicherheitsebene
auftreten (siehe unten).
Wesentliche Aussagen des Reason Modells sind:
Jeder Fehler (Unfall) beginnt auf der Managementebene. Dort werden Fehlentscheidungen
getroffen, die zu latenten Systemfehlern führen.
Jeder Untersuchung von Unfällen beginnt i.d.R. vor Ort mit der Suche nach Ursachen,
muss aber notwendigerweise beim Management und der Untersuchung der Systemursachen
(Root Causes) enden.
Heute sind diese Erkenntnisse in sehr vielen Unternehmen bekannt und auch anerkannt
und finden in verschiedenen praktischen Umsetzungen Anwendung, z.B. bei der Untersuchung
von Ereignissen und Unfällen (Root Cause Analyse).
Die psychologischen Rahmenbedingungen und Abläufe, die dabei eine wesentliche Rolle
spielen, wurden von Reason in den 1980er Jahren analysiert (siehe z.B. /2/).
Mitglieder von Experten-Netzwerk Chemikalien-Anlagen-Arbeit Sicherheithaben sich
seit mehr als 20 Jahren mit dem Thema Loss Control und Programmen zur Reduzierung
von Unfallzahlen, u.a. auch Begehungskonzepten, beschäftigt und solche Programme
auch verantwortet.
Die möglichen Erfolge solcher Programme sind überzeugend und, wenn richtig initiiert
und ausdauernd aufrechterhalten, sind die Erfolge von Dauer und können auch zu nachhaltigen
Verbesserungen auf anderen Gebieten, z. B. Anlagenverfügbarkeiten, Instandhaltung
usw., führen.
Dennoch sei an diesen Stelle eine Warnung ausgesprochen: Auch die deutliche Reduzierung
von Unfallzahlen beim Arbeitsschutz heißt nicht notwendigerweise, dass sich auch
andere Punkte verbessern, z. B. „Anlagensicherheit“.
Vielmehr haben schwere Industrieunfälle in der jüngeren Vergangenheit gezeigt, dass
der alleinige Fokus auf Arbeitsschutz und Unfallzahlen dazu führen kann, dass andere
(größere) Risiken aus dem Auge verloren gehen und damit vernachlässigt werden. So
geschehen bei der schweren Explosion in der Raffinerie in Texas City, USA, in 2005
(siehe z. B. /4/, /5/ und /6/).
Das Reason Modell (Root Causes of Accidents)
Reason hat in seinen psychologischen Arbeiten untersucht, wie Unfälle entstehen und
was die wirklichen, ursächlichen Gründe (Root Causes) für Unfälle sind. Wie beim
Loss Control System von Bird und Germain /1/ beschreibt er letztendlich Entscheidungen
auf der Managementebene als den Ausgangspunkt für Unfälle.
Alle Unfälle haben deshalb als Vorbedingungen „Fehler“ in der Organisation, die einen
Unfall erst ermöglichen und ohne die es nicht zu Unfällen käme. Fehler werden auf
allen Organisationsebenen gemacht:
Top-Management trifft einen falsche Entscheidung
Linien-Management setzt die fehlerhafte Entscheidung um, ohne den Fehler zu bemerken
oder zu kritisieren; daraus entstehen die
Vorbedingungen für Unfälle dazu kommen
Fehler im operativen Geschäft und zusätzlich kommt hinzu
Technisches Versagen von Schutzeinrichtungen
und dann „passiert“ der Unfall.
Dieses Schema wird sehr oft als Schweizer-Käse-Modell, oder als Modell rotierender
Scheiben dargestellt. Dabei symbolisieren die Käse-Scheiben bzw. die einzelnen rotierenden
Scheiben unterschiedliche, von einander unabhängige Sicherheitsebenen bzw. Schutzebenen
vergleiche auch Layer of Protection Analyse LOPA).
Da im Modell die Löcher, in den gegensinnig und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten
rotierenden Scheiben, nur selten übereinander stehen, ein Fehler (Loch) auf einer
Ebenen also in der Regel nicht auf einen weiteren Fehler (ein weiteres Loch) in der
nächsten Schutzebene trifft, kommt es auch nur sehr selten tatsächlich zu Unfällen.
Literaturhinweise (nur Beispiele)
1.
F.E. Bird, G.L. Germain, F.E. Bird, Jr.: Practical Loss Control Leadership, International Loss Control Institute, Atlanta, GA1986
2.
J. Reason, Human Error, Cambridge University Press, Cambridge 1990
3.
F. Burkhardt, I. Colin, Zur Sicherheit führen, Universum Verlagsanstalt, Wiesbaden 1997.
4.
U.S. Chemical Safety and Hazard Investigation Board (CSB), Report No. 2005-04-I-TX (March 2005), Refinery Explosion and Fire, www.csb.gov/assets/document/CSBFinalReportBP.pdf
5.
KAS Leitfaden KAS 7, Empfehlungen der KAS für eine Weiterentwicklung der Sicherheitskultur -Lehren nach Texas City 2005, 2007 www.kas-bmu.de/publikationen/kas_pub.htm
6.
J. Herrmann, A. Ruddat, C. Schwiederowski, Management of Safety in the Petrochemical and Oil Industry, in: U. Hauptmanns (Ed.): Plant and Process Safety 8, Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry, 8th ed., Wiley-VCH, Weinheim 2012: DOI: 10.1002/14356007.q20_q07 www.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/14356007.q20_q07/abstract
Ein Konzept für die Untersuchung von Ereignissen und Unfällen
Folgt man dem Reason Modell auch bei der Untersuchung von Ereignissen, so wird eine
solche Untersuchung immer vor Ort (dort, wo das Ereignis passiert ist) beginnen,
um dort die
kritischen Faktoren zu ermitteln (Faktoren, ohne die der Unfall nicht passiert wäre; wäre
beispielsweise der Mitarbeit zum Zeitpunkt garnicht vor Ort gewesen wäre, so hätte
der Unfall garnicht passieren können; um dann weiter nach den
unmittelbaren Ursachen und unsicheren Zuständen und Handlungen zu forschen (z.B.
die Leiter, die der Mitarbeiter benutzte war defekt), und dann weiter nach den
tieferliegenden Ursachen (z.B. der Mitarbeiter hatte keine Zeit die Leiter zu kontrollieren,
die Leiter unterlag keiner Instandhaltung), und um letztendlich nach den eigentlichen
Management System Fehlern zu suchen (z.B. für die Instandhaltung war kein Verantwortlicher
benannt.).
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